Donnerstag, 21.09.2023
14:30 - 16:00
Raum Q110
E03
(Soziale) Aktivitäten
Moderation: L. Amrhein, Dortmund
Zielsetzung: Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität und Einsamkeit negativ korreliert sind, d.h. mehr Aktivität ist mit weniger Einsamkeitsgefühlen verbunden. Allerdings sind die Treiber hinter diesem Zusammenhang, die zu einer Reduktion von Einsamkeit durch körperliche Aktivität beitragen, relativ unbekannt. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche Faktoren körperlicher Aktivität signifikant zur Verringerung der Einsamkeit sechs Jahre später beitragen.
Methode: Als Datengrundlage wurde der Survey Transitions and Old Age Potential (TOP) verwendet, der zu drei Messzeitpunkten in sechs Jahren durchgeführt wurde (T1: n=5.002, T2: n=2.501, T3: n=1.561). Die Teilnehmer waren zwischen 54 und 70 Jahre alt. Logistische Regressionsanalysen zeigen den Zusammenhang von körperlicher Aktivität zu T1 und Einsamkeit zu T3. Pfadmodelle untersuchen den erklärenden Wert von Gesundheits- und Persönlichkeitsfaktoren.
Ergebnisse: Körperliche Aktivität und Einsamkeit waren, wie erwartet, negativ korreliert. Diese Korrelation verschwand jedoch im multivariaten Modell, so dass durch die Kontrolle von gesundheits- und persönlichkeitsbezogenen Faktoren diese Korrelation vollständig erklärt werden konnte. Körperliche und geistige Gesundheit sowie die Persönlichkeitsfaktoren Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus hatten einen Einfluss auf die Einsamkeit zu T3.
Schlussfolgerung: Vor allem die positive Wirkung körperlicher Aktivität auf verschiedene Gesundheitszustände und eine bestimmte Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen, die bei älteren Erwachsenen, die sich körperlich betätigen, vorherrschen könnten, tragen zur Verringerung der Einsamkeit bei 54- bis 70-jährigen Erwachsenen bei. Es könnte ein wichtiges Ziel künftiger Interventionen sein, einsamen älteren Menschen zu helfen, körperlich aktiv zu werden und dadurch gesundheitliche Einschränkungen zu bewältigen.
Viele Studien berichten, dass gute soziale Beziehungen eine positive Auswirkung auf die kognitive Gesundheit im Alter haben und vor kognitivem Abbau schützen. Die meisten Studien untersuchen jedoch nur einzelne Komponenten sozialer Beziehungen, ohne für zusammenhängende soziale Aspekte zu kontrollieren. Dadurch bleibt es schwierig zu beurteilen, welche genauen Aspekte der sozialen Beziehungen für den kognitiven Verlauf im Alter relevant sind. Zudem fokussieren sich viele Studien auf Menschen im mittleren und jungen hohen Alter, während die Assoziationen in der Hochaltrigkeit bisher wenig erforscht wurde. Hochaltrige Menschen zeigen jedoch das größte Risiko für kognitiven Abbau. Zusätzlich haben sie aufgrund besonderer Lebensumstände ein erhöhtes Risiko für soziale Isolation und Einsamkeit. Da sich soziale Beziehungen also im sehr hohen Lebensalter verändern, ist es denkbar, dass die Zusammenhänge von sozialen Beziehungen und Kognition altersabhängig sind. Ziel der Studie war es daher, die Assoziation verschiedener Aspekte sozialer Beziehungen mit der kognitiven Leistungsfähigkeit in hochaltrigen Menschen zu untersuchen. Die Analysen basieren auf den Daten der „Lebensqualität und Wohlbefinden hochaltriger Menschen in NRW“- Panelstudie. Mit Cumulative Link Mixed Models wurden die Assoziationen von strukturellen (Netzwerkgröße, Kontakthäufigkeit, Familienstand und soziale Aktivität) sowie funktionellen Aspekten sozialer Beziehungen (soziale Unterstützung und Einsamkeit) mit der globalen kognitiven Leistung (gemessen mit dem DemTect) über einen Zeitraum von zwei Jahren in kognitiv gesunden Hochaltrigen untersucht. Dabei wurden Alter, Geschlecht, Bildung, depressive Symptome und funktioneller Status als Kontrollvariablen berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigten, dass über den Zeitverlauf nur die Netzwerkgröße eine signifikante Assoziation mit der globalen Kognition aufwies, wenn alle Kontrollvariablen inkludiert wurden (Odds Ratio (OR): 1.26, 95% CI 1.03 - 1.54, p = 0.024). Allerdings konnte das Modell eine signifikant bessere Erklärungsvarianz erzielen, wenn neben strukturellen auch funktionelle Aspekte einbezogen wurden (??2(5)= 0.03, p = .01). Zusammenfassend zeigt sich, dass soziale Beziehungen ein komplexes Konstrukt darstellen und es daher wichtig ist, die verschiedenen Aspekte gleichzeitig zu betrachten. Für die kognitive Leistung hochaltriger, kognitiv-gesunder Menschen scheinen sowohl die strukturelle als auch funktionelle Aspekte bedeutsam zu sein.
Fragestellung: Der Vortrag fragt danach, welche sozialen Faktoren den Geschmack eines Menschen für musikalische Genres – von Pop und Rock über Schlager und Volksmusik hin zu Oper und klassischer Musik – prägen und ob und wie dieser sich im Laufe des Lebens verändert. Bleibt der Musikgeschmack durch die Stellung im sozialen Schichtungsgefüge bestimmt (Bourdieu), wird diese Hierarchie zunehmend von der Altersschichtung durchbrochen (Schulze, Otte) oder löst sich der Gegensatz zwischen Hoch- und Populärkultur ganz auf (Peterson, Gilleard/Higgs)? Verändern sich musikalische Vorlieben lebenszyklisch (Alterseffekte) oder folgen sie einer sozialisationsbedingten Kontinuität (Kohorteneffekte)?
Theorie: Die Auswertungen beruhen auf einem eigenen theoretischen Entwurf, der die Lebensstiltheorien von Bourdieu, Schulze und Otte integriert. Im Modell der „Lebensführung im altersgeschichteten Sozialraum“ (Amrhein 2021a, 2021b) nehme ich an, dass eine soziale Geschmackshierarchie existiert, die vom Besitz an kulturellem Kapital bestimmt wird und aufgrund ihrer familiär-schulischen Sozialisationsbedingtheit primär kohortenspezifischen Kontinuitäten folgt.
Methodik: Zur Überprüfung der Hypothesen wurden die ALLBUS-Studien 1998 und 2014 und die Lebensstilstudien Outfit 4 (1997) und Outfit 6 (2006/07) mithilfe verschiedener multivariater Verfahren ausgewertet. Beide Studien (ALLBUS: 18-90+ Jahre, Outfit: 14-64 Jahre) enthalten Fragebatterien zu musikalischen Genrepräferenzen, die nach 16 (ALLBUS) bzw. 10 Jahren (Outfit) wiederholt wurden und damit Aussagen über Alters-, Perioden- und Kohorteneffekten erlauben.
Ergebnisse: Die Auswertungen bestätigen größtenteils das eigene Modell, zeigen aber auch, dass sich soziale Ungleichheiten abschwächen und neben kohortenspezifischen Kontinuitäten ebenso altersbedingte Diskontinuitäten zu beobachten sind.
Literatur
Amrhein, L. (2021a): Soziale und lebenszeitliche Determinanten des Musikgeschmacks im Spiegel des ALLBUS 1998 und 2014. In: Hahmann, J. u. a. (Hg.): Gerontologie gestern, heute und morgen: Multigenerationale Perspektiven auf das Alter(n). Wiesbaden: Springer VS, S. 393-416.
Amrhein, L. (2021b): Wodurch wird der Musikgeschmack bestimmt und wie verändert er sich im Lebensverlauf? Eine Sekundärauswertung der Lebensstilstudien Outfit 4 und Outfit 6 zu den sozialen und lebenszeitlichen Determinanten von musikalischen Genrepräferenzen. In: Kolland, F. u. a. (Hg.): Kulturgerontologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 393–416.
Was tun wir eigentlich, wenn wir scheinbar gerade nichts tun? Diese Frage wurde in der Alternswissenschaft aber auch in den Sozialwissenschaften allgemein bislang selten adressiert, obwohl sie – besonders im Hinblick auf ältere Menschen – spannend ist. Zum einen, weil sich für Personen nach dem Ende ihres Erwerbslebens potenziell neue Zeitfenster für das „Nichtstun“ auftun, besonders in Zeiten der Digitalisierung und Technisierung. Zum anderen, weil die Forschung unter dem Paradigma „Aktives Altern“ häufig das Tun in den Fokus rückt und damit das Nichtstun aus dem Blick verliert. Forschungsbefunde zeigen aber, dass das Nichtstun förderlich für die Erhaltung des mentalen Aktivitätsniveaus in jedem Lebensalter sein kann. Die im Rahmen des Verbundprojekts „Smartes Altern im kommunalen Kontext: Untersuchung intelligenter Formen von Selbstregulation und Ko-Regulation unter Realbedingungen (SMART-AGE)“ verfasste Dissertation geht dabei zwei Fragen nach. Erstens: Was ist Nichtstun und wie kann eine geeignete Konzeptionierung des Nichtstuns im höheren Alter aussehen? Zweitens: Wie verändert sich das Nichtstun vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Prozesse der Digitalisierung und vermehrter Techniknutzung? Der erste Teil der Präsentation basiert auf einem integrativen Literaturreview mit anschließender interdisziplinärer Synthese, um den alltagsweltlichen Begriff des Nichtstuns zu konkretisieren. Diese interdisziplinäre Konzeption des Nichtstuns basiert auf theoretischen Zugängen aus der Psychologie, der Philosophie und der Soziologie. Im zweiten Teil steht die empirische Untersuchung von Einflüssen der Techniknutzung auf das Nichtstun mittels einem Mixed-Methods Design im Mittelpunkt. Erste empirische Ergebnisse von zwei abgeschlossenen Pilotstudien (2x n=4) zeigen, was Menschen durch den Kopf geht, während sie scheinbar nichts tun und welche Rolle die Techniknutzung hierbei spielt.