Freitag, 22.09.2023

11:45 - 13:15

Raum Q110

E10

Gewaltprävention, Gewalterfahrungen

Moderation: E. Olbermann, Dortmund

11:45
(Dis)Kontinuitäten von Gewalterfahrungen und Trauma-Reaktivierungen im Alter
E10-1 

C. Kaiser; Wolfenbüttel

Ältere Menschen blicken bereits auf ein längeres Leben zurück, so dass sich Gewalterfahrungen aus unterschiedlichen Lebensphasen im höheren Alter summieren und sich gegenseitig verstärken können. Bei der Generation der heutigen Seniorinnen und Senioren, insbesondere bei den Hochaltrigen unter ihnen, spielen Kriegs- und Nachkriegserlebnisse in Kindheit und Jugend eine wichtige Rolle. Noch weniger erforscht sind weitere kollektive und zeithistorisch verankerte Gewalterfahrungen, denen ein Teil der heutigen älteren Generation in ihrer Kindheit und Jugend ausgesetzt war, z.B. in Kinderheimen, Bildungseinrichtungen, kirchlichen Institutionen oder in Kur- und Gesundheitseinrichtungen („Verschickungskinder“). Viele Betroffene leiden häufig bis heute unter ihren traumatischen Erfahrungen.

Im Alter, das häufig mit der Zunahme von Abhängigkeiten und der Abnahme von Anpassungs- und Bewältigungsmechanismen verbunden ist, kann es zur Reaktivierung von in jüngeren Lebensphasen erfahrenen Traumata kommen. Zudem können konkrete Auslöser die verschütteten Traumata wecken. Diese Problematik ist in Pflege, Betreuung und Sozialer Arbeit noch nicht ausreichend bekannt und birgt das Risiko von Fehldiagnosen oder unangemessener Unterstützung und verhindert eine bestmögliche Betreuung. Der Beitrag greift diese Problematik auf und leitet Handlungsempfehlungen für die Praxis ab.

12:05
Gewaltschutz in der Langzeitpflege – Rechtliche Rahmenbedingungen und ihre Weiterentwicklung
E10-2 

A. S. Richter; Berlin

Wie kann Gewaltschutz in der Pflege gelingen? Pflegebedürftige Menschen sind derzeit nicht ausreichend wirksam vor Gewalt geschützt. Nicht selten erfahren sie körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt, Vernachlässigung oder werden freiheitsentziehenden Maßnahmen unterzogen. Fehlende Kenntnisse ihrer eigenen Rechte, fehlende oder schwer zugängliche Schutzmechanismen und -strukturen, verhindern noch immer effektiven Gewaltschutz. Im Vortrag sollen die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen, die jeweilige Rolle der unterschiedlichen Akteure und die Art ihrer Zusammenarbeit beleuchtet werden. Zu unterscheiden sind dabei Regelungen und Handlungsoptionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene. Der Vergelich mit den rechtlichen Regelungen zum Gewaltschutz in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung kann Möglichkeiten der rechtlichen Weiterentwicklung aufzeigen und es ist zu Fragen, ob es übergreifende Meldestellen für Betroffene von Gewalt, die in Einrichtungen leben, geben sollte. Darüber hinaus wird die häufig zu wenigig thematisierte Rolle der rechtlichen Betreuung, ihrer Möglichkeiten zum Schutz vor Gewalterfahrungen aber auch ihrer Grenzen dargestellt.

12:25
Sucht- und Gewaltprävention bei Bewohner:innen in stationären Pflegeeinrichtungen: Empirische Befunde aus dem Projekt Prävention kreativ!
E10-3 

E. Olbermann, P.-S. Berg, C. Best, K. Guhlemann; Dortmund

Sucht und Gewalt sind auch im Bereich der stationären Altenpflege relevante Probleme. Allerdings gibt es nur wenige belastbare Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Maßnahmen der Sucht- und Gewaltprävention bei Bewohner:innen von Pflegeeinrichtungen und es liegen kaum erprobte Konzepte vor.

Ziel des vom Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek) geförderten Projektes „Prävention kreativ!“ ist es, die Gesundheit von Bewohnenden in Pflegeeinrichtungen mit neuen Ansätzen der Sucht- und Gewaltprävention zu stärken. Dazu sollen niederschwellige, zielgruppengerechte Konzepte und Maßnahmen zur Sucht- und Gewaltprävention entwickelt, erprobt und evaluiert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei theatergeragogische und seelisch-orientierte Gruppenangebote für die Bewohner:innen der Pflegeeinrichtungen und Schulungen von Beschäftigten und Angehörigen. Diese sollen dazu beitragen, gesundheitsgefährdendes Verhalten der Bewohner:innen sich selbst und anderen Menschen gegenüber zu reduzieren bzw. zu verhindern und Strukturen in den beteiligten Einrichtungen gesundheitsförderlich weiterzuentwickeln

Im Rahmen der Evaluation der ersten Welle der Maßnahmendurchführung in vier stationären Pflegeeinrichtungen wurden qualitative Interviews mit Bewohner:innen, standardisierte Kurzbefragungen, Fokusgruppendiskussionen und teilnehmende Beobachtungen durchgeführt.

Im Rahmen des Vortrages werden erste Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.

12:45
Elder Mistreatment aus der Perspektive älterer Erwachsener: Eine qualitative Untersuchung zu Begrifflichkeiten und Wahrnehmungen
E10-4 

R. Gerlich, Immenstaad

Fragestellung: „Elder Mistreatment“ umfasst problematische, grenzüberschreitende Verhaltensweisen gegenüber älteren Personen. Bei pflegebedürftigen Personen wird dies – sowohl im häuslichen Kontext sowie in stationären Pflegeeinrichtungen – auch als „Gewalt in der Pflege“ bezeichnet. Da diese Begrifflichkeiten gerade im deutschen Sprachgebrauch eher mit einer physischen Konnotation versehen ist, stellt sich unter anderem die Frage, welche Begrifflichkeiten ältere Personen selbst für entsprechende Situationen hervorbringen und welche Begrifflichkeiten welche Bilder hervorrufen.

Methode: Diesen Fragen wird im Rahmen von Gruppendiskussionen mit älteren Personen aus Senior*innen-Treffs nachgegangen. Durch die intensive Auseinandersetzung mit einem Thema im Gespräch mit anderen können die Diskussionsteilnehmer*innen ihre eigene Meinung, Einstellung und Erfahrung explizieren. Diese Konfrontation animiert idealerweise auch andere Teilnehmer*innen, sich ihrer Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen bewusst zu werden und ebenfalls zu explizieren.

Die Erhebung sowie Auswertung finden nach der Abstracteinreichung, aber noch vor der DGGG-Tagung statt.

Ergebnisse: Die Ergebnisse dieser Studie werden zeigen, wie problematische Verhaltensweisen gegenüber älteren Personen von ihnen selbst benannt werden als auch, welche Verhaltensweisen sie unter welchen Bedingungen dazu zählen würden. Dies wird im Vortrag idealerweise anhand von exemplarischen Teilnehmer*innen-Aussagen verdeutlicht. Die aus dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse können für entsprechende Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagnen genutzt werden.

Kontexteinbettung: Diese Studie ist der erste empirische Teil (von dreien) eines Promotionsvorhabens mit einem Mixed-Methods-Design zum Überthema Perzeption von Elder Mistreatment. Das Promotionsvorhaben insgesamt zielt darauf ab, Faktoren aufzudecken, die dazu führen, dass Individuen bestimmte Verhaltensweisen gegenüber älteren Personen als problematisch oder unproblematisch wahrnehmen, woraus Maßnahmen zur Sensibilisierung von Elder Mistreatment abgeleitet werden können.

Die drei empirischen Teile des Promotionsvorhabens bestehen aus (1) Gruppendiskussionen, (2) Faktoriellen Surveys mit integriertem Experiment sowie (3) Expert*innen-Interviews.

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