Freitag, 22.09.2023

14:15 - 15:30

Raum Q113

E04

Einwanderungsgeschichte / Migration

Moderation: C. Kaiser, Wolfenbüttel

14:15
Guter Lebensabend NRW – Zugänge zu Altenhilfe und Altenpflege für alte Menschen mit Einwanderungsgeschichte
E04-1 

B. Wolter, T. Stellmacher; Berlin

Ältere Menschen mit Einwanderungsgeschichte nutzen deutlich seltener Regelangebote der Altenhilfe und Altenpflege als ältere Menschen ohne Einwanderungsgeschichte. Sprachbarrieren, Armut, fehlende Informationen über das System und Angebote, aber auch eine noch zögerliche interkulturelle Öffnung von Einrichtungen und Anbietern erschweren häufig ihren Zugang zu einer guten Versorgung im Alter. Unterstützung und Pflegeleistungen werden oft innerhalb der familiären oder sozialen Netzwerke erbracht, die damit nicht selten überfordert sind. Das Modellprogramm „Guter Lebensabend NRW“ des Landes Nordrhein-Westfalen greift diese Problematik auf und bietet seit 2020 ausgewählten Kommunen die Möglichkeit zu erproben, wie Zugangsbarrieren abgebaut und Seniorinnen und Senioren mit Einwanderungsgeschichte der Zugang zu bestehenden Regelangeboten geebnet werden kann. Mit den Mitteln des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) werden in den Modellkommunen Seniorenberaterteams aufgebaut, deren Aufgabe darin besteht, in den Kommunen bedarfsgerecht zu informieren, zu beraten und den Aufbau von interkulturellen Angeboten zu initiieren. Ihre Zielgruppen sind sowohl ältere Menschen mit Einwanderungsgeschichte und ihre Angehörigen als auch Einrichtungen der Altenhilfe und Altenpflege. Das bis Ende 2023 laufende Modellprogramm wird seit Beginn wissenschaftlich begleitet. Der Beitrag stellt Ergebnisse aus der Perspektive der wissenschaftlichen Begleitung vor und diskutiert förderliche und hinderliche Faktoren bei der Gestaltung der Zugänge mit einem besonderen Fokus auf sozialräumliche Einflussfaktoren.

14:35
Subjektive Theorien älterer Migrant*innen bezüglich digitaler Medien - Ergebnisse einer qualitativen Studie und Überlegungen zur Ausgestaltung medienpädagogischer Angebote
E04-2 

C. Bogen; Ludwigsburg

Die fortschreitende Digitalisierung umgreift alle Lebensbereiche und Lebensalter. Viele Alltagspraxen sind bereits heute kaum mehr ohne digitale Ressourcen zu bewältigen. Damit verbunden sind neue Möglichkeiten der Teilhabe und gesellschaftlichen Mitbestimmung; daraus resultieren aber auch Dynamiken der sozialen Benachteiligung und Ausgrenzung, etwa dort, wo digitale Medien aufgrund von körperlichen, kognitiven oder sozialökonomischen Einschränkungen nicht zugänglich oder nutzbar sind. Der Vortrag beleuchtet den Problemkomplex exemplarisch, in dem er die Perspektive älterer Migrant*innen in den Blick nimmt, deren Lebenslage und Mediennutzung durch quantitative Erhebungen nicht angemessen erfasst werden kann. Im Rahmen des vom BMFSFJ geförderten Verbundprojekts "Digitales Deutschland", das sowohl die unterschiedlichen Medienkompetenzanforderungen als auch die Rahmenbedingungen erforscht, die die Voraussetzung für einen gelingenden Kompetenzerwerb sind, wurden an der PH Ludwigsburg 20 fokussierte Leitfadeninterviews mit älteren Migrant*innen aus dem Großraum Stuttgart durchgeführt. Ziel war es, die lebensweltlichen Relevanzzusammenhänge und die subjektiven Theorien zu digitalen Medien dieser Gruppe zu untersuchen. Der Vortrag stellt die Ergebnisse vor und beschreibt die Lebens- und Werteorientierungen der Befragten, wie sie mit digitalen Medien in Berührung kommen, welche Relevanz neue Medien in ihrem Alltag haben und welche Lebenskontexte explizit gegen die Nutzung digitaler Medien sprechen. Auf Basis dieser qualitativen Teilstudie wurden Kriterien für die Ausgestaltung medienpädagogischer Angebote für ältere Migrant*innen entwickelt, die ebenso im Vortrag vorgestellt werden.

14:55
Kontinuität und Wandel der Zielgebiete und Motive älterer Binnenwanderer
E04-3 

K. Friedrich, F. Ringel; Halle (Saale)

Angesichts zunehmender Anteile von Senioren und Seniorinnen, die ihren Alltag aktiv gestalten – den sogenannten „neuen Alten“ – und vermehrtem Übergang der Babyboomer in die Nacherwerbsphase stellt sich die Frage, ob mit dem damit einhergehenden Strukturwandel des Alters die ehemaligen Muster des Wohnstandortverhaltens noch Bestand haben.

Mit Blick auf die großräumigen und interregionalen Binnenwanderungen älterer Menschen bleibt zum einen deren Beständigkeit festzuhalten. Sie äußert sich im Paradigma einer ausgeprägten Standortverbundenheit und Distanzempfindlichkeit. Hinsichtlich der Regionalität der Zielpräferenzen sind im Vergleich zur Situation Mitte der 1990er Jahre sowohl der Fortbestand der alten räumlichen Muster neben Veränderungen im Spektrum der Herkunfts- und Zielgebiete erkennbar. Den Wandel charakterisieren die weitgehende Einebnung des ehemaligen Ost-West-Gegensatzes sowie bundesweit das gewachsene Nebeneinander von Herkunfts- und Zielgebieten.

Die vergleichende Analyse der primären früheren und derzeitigen Wanderungsmotive älterer Menschen lässt Ansätze einer zunehmenden Modifizierung der Standortentscheidungen erkennen (Friedrich & Ringel 2022). Dabei haben die Aussicht auf Verbesserung einer mit den gelebten Jahren schwieriger gewordenen Wohnsituation und eine erhöhte Versorgungssicherheit durch die Wahl des neuen Wohnorts den größten Einfluss. Neben diesen wohnbedingten Motiven behalten mit den netzwerkorientierten Anlässen die beiden klassischen Umzugsdeterminanten nach wie vor ihren hohen Stellenwert, weisen jedoch Im Vergleich zu früheren Untersuchungen aktuell ein deutlich vielfältigeres Begründungsspektrum auf. Zudem begründen „jüngere Alte“ ihren Standortwechsel stärker mit der Verbesserung wohnungs- und umweltbezogenen Rahmenbedingungen, während sich mit zunehmenden Jahren die Bedeutung sozialer und unterstützungsorientierter Motive erhöht. Die Differenzierung nach regionalen Lebenslagen und Alltagswelten ergibt, dass ein Großteil der ausschlaggebenden Antriebe zum Wohnortwechsel aus dem persönlichen Umfeld kommt und aus einer Abwägung der unmittelbaren individuellen Lebenssituation resultiert. Danach sind in erster Linie Erwägungen wie die Nähe zum Wohnort der Kinder, die Rückwanderung an den vertrauten Heimatort, der Verlust des Lebenspartners oder der Wegfall von Kontakten zu Nachbarn und Freunden.

Zurück