Donnerstag, 21.09.2023
16:30 - 18:00
Raum Q113
W17
„Die nehmen mich nicht ernst!“- Erleben (und Nichterleben) von Altersdiskriminierung bei älteren Menschen
Moderation: E.-M. Kessler, Berlin; K. Rothermund, Jena
Die Stärkung der Rechte älterer Menschen kann nur gelingen, indem sich alte und sehr alte Menschen selbst auf gesellschaftlicher Ebene für die Belange ihrer Altersgruppe engagieren. Dies setzt voraus, dass sich ältere Personen aufgrund ihres (zu) hohen Alters diskriminiert fühlen, das heißt, dass sie Erfahrungen von verwehrtem Zugang zu Ressourcen, aber auch von Ignoranz, Respektlosigkeit, Bevormundung oder Ausgrenzung auf ihre Zugehörigkeit zur Kategorie „alter Mensch“ – und entsprechende Zuschreibungen - zurückführen.
Ein solches Bewusstsein ist allerdings häufig nicht der Fall. Trotz mannigfacher Belege für objektive Altersdiskriminierung fühlen sich ältere Menschen nur selten wegen ihres hohen Alters diskriminiert (seltener als jüngere Menschen wegen ihres jungen Alters); entsprechend beschweren sich vergleichsweise wenig ältere Menschen über Altersdiskriminierung, sowohl in ihren persönlichen Netzwerken als auch bei öffentlichen Beschwerdestellen.
Dieses paradoxe Phänomen wird in der Literatur häufig als Ausdruck von verinnerlichten Ageismus betrachtet, das heißt, dass ältere Menschen es häufig als normal betrachten, Erfahrungen von Ungleichbehandlung ausgesetzt zu sein. Umgekehrt kann sich eine alte Person aber auch aufgrund ihres Alters diskriminiert fühlen, obwohl die Erfahrung, die sie gemacht hat, nicht Resultat einer Diskriminierung aufgrund ihres Alters ist.
Ziel des Workshops ist es, zu einem differenzierteren Verständnis des Phänomens erlebter Altersdiskriminierung als Voraussetzung für eine Bewegung für die Rechte alter Menschen („aging rights movement“) beizutragen – eine solche wird im Rahmen der UN Open Ended Working Group on Ageing diskutiert. Dazu erfolgen zunächst zwei Inputreferate durch die Workshopleiter:innen, in denen der Forschungsstand zu erlebter Altersdiskriminierung auf Grundlage eines aktuellen nationalen (Studie „Ageismus – Altersbilder und Altersdiskriminierung“) und internationalen Surveys (Studie „Altern-als-Zukunft“) präsentiert wird. Danach werden in einem dialogischen Format mit den Teilnehmer:innen Fallbeispiele von älteren Personen diskutiert, die sich wegen erlebter Alterdiskriminierung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes bzw. bei der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. gemeldet haben. Anhand der Fallbeispiele soll im interdisziplinären Kreis diskutiert werden, inwiefern sich in den Beschwerden Hinweise auf „kognitive Befreiung“ von einschränkenden Alterszuweisungen und -normen finden lassen.