Donnerstag, 21.09.2023

16:30 - 18:00

Hörsaal Q015

S13

DiBiWohn als Partizipative und praxisorientierte Bildungsforschung

Moderation: M. Marquard, Ulm

In dem interdisziplinären Verbundprojekt "Digitale Bildungsprozesse für ältere Menschen in seniorenspezifischen Wohnformen der institutionalisierten Altenhilfe" (DiBiWohn) wird in den Bereichen der empirischen Bildungsforschung, Gerontologie und Medienpädagogik untersucht, wie digitale Bildungsangebote im Betreuten Wohnen und Pflegewohnen erfolgreich umgesetzt werden können.

Neben bildungstheoretischen Forschungsinhalten, die sich auf grundlegende Fragen zu (digitalen) Bildungsprozessen im  hohen Alter beziehen, werden auch bildungspraktische Forschungsinhalte untersucht, die sich auf die Entwicklung und Gestaltung von informellen und non-formalen digitalen Bildungsformaten im hohen Alter richten.

Zur Einführung wird die Projektstruktur von DiBiWohn mit quantitativer und qualitativer Sozial- und Bildungsforschung sowie die partizipations- und praxisorientierte Bildungsforschung im Verbundprojekt vorgestellt. Im Fokus dieses Symposiums stehen dabei die ersten Ergebnisse aus der partizipativen und praxisorientierten Forschung, die im Kontext eines Peer-to-Peer-Konzepts erhoben wurden und sich auf eine weitgehend internetunerfahrene Zielgruppe bezieht. Das Forschungsinteresse richtet sich dabei einerseits auf „Technikbegleiter:innen“, andererseits auf „Internetneulinge“.

Neben den individuellen Gelingensbedingungen untersuchen wir auch die Rahmenbedingungen in den beteiligten Einrichtungen der institutionalisierten Altenarbeit sowie die Verflechtung in den Sozialraum hinein. Die individuelle Bedeutung von Digitalisierung im Kontext von „Räumen“ und Lebenswelten wird dabei untersucht. In einem Transferkonzept werden Handlungsempfehlungen zusammengeführt, die dann mit Praxispartner:innen in den Transfer gebracht werden sollen. Erste Ergebnisse können dazu im Rahmen des Symposiums vorgestellt und diskutiert werden.

Das Verbundprojekt hat eine Laufzeit von fünf Jahren (09/2020 – 08/2025) und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Forschungsschwerpunkt „Digitalisierung im Bildungsbereich“ im Rahmen der empirischen Bildungsforschung gefördert.

16:30
Forschungsperspektive Technikbegleiter*innen: Typenbildung und Schulungskonzepte
S13-1 

S. Bröder, N. Damer, L. Grieser, B. Hoffmann-Schmalekow, D. Moroz, J. Schoch, M. Marquard, M. Doh; Ludwigshafen, Ulm, Stuttgart, Freiburg

Im Mittelpunkt dieses Vortrages stehen die „Technikbegleiter:innen“ und ihre Rolle in dem Peer-to-Peer-Konzept. Dabei wird nach deren Kompetenzen, pädagogisch-didaktischen Fähigkeiten, aber auch nach deren Interessen und Motiven gefragt. Grundlage bilden dabei qualitative Interviews und Lerntagebücher, aber auch Fokusgruppen während der Schulungen. Die transkribierten Daten wurden dabei mit Hilfe einer qualitativen Interviewanalyse (Mayring) nach deduktiv und induktiv entwickelten Kategorien hin codiert und ausgewertet.

Diese Ergebnisse dienen dabei als Basis einer erste Typenbildung. Hierbei helfen auch in dem Projekt erhobene quantitative Daten, die wir in einem Mixed-Methode-Ansatz mit den qualitativen Ergebnissen zusammenbringen.

Auf Basis der Ergebnisse wurde entlang von verschiedenen Kategorien eine erste Typenbildung vorbereitet. Berücksichtigt wurden dabei insbesondere folgende Ebenen: Beziehungsebene zwischen Technikbegleitung und Techniknovizen, Übernahme von Verantwortung für Inhalte und Lernprozessen, Umgang mit Schwierigkeiten, eigene Ambitionen in Korrelation der Erwartung von Teilnehmenden, sowie Didaktische Kompetenz.

Darüber hinaus haben wir im Rahmen der begleitenden Qualifizierungen nach den Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Arbeit als „Technikbegleiter:in“ gefragt. Vor diesem Hintergrund wurden in dem Projekt weiterführende Unterstützungsstrukturen, Qualifikationen und Schulungsangebote entwickelt. Diese werden im Rahmen des Vortrags kurz vorgestellt.

Insgesamt lässt sich zeigen, dass das Peer-to-Peer-Konzept mit den „Technikbegleiter:innen“ nicht nur sehr gute Voraussetzungen für die beteiligten Internetneulingen schafft, sondern auch zur Selbstwirksamkeit und besseren Nutzungskompetenz auf Seiten der „Technikbegleiter:innen“ beiträgt.

16:50
Forschungsperspektive Internetneulinge
S13-2 

M. Marquard, L. Grieser, B. Hoffmann-Schmalekow, C. Spannbauer, S. Bröder, N. Damer, D. Moroz, J. Schoch, M. Doh; Ulm, Ludwigshafen, Stuttgart, Freiburg

Ausgehend von den Interessen und Bedarfen der „Internetneulingen“ entwickeln wir Unterstützungsstrukturen und digitale Bildungsangebote, die im Rahmen eines partizipativ angelegten Peer-to-Peer-Ansatzes niedrigschwellig und für die Lebenswelt von Personen im hohen Alter angemessen umgesetzt werden können. Hier fragen wir nicht nur danach, wie digitale Zugänge (Tablets, Smartphone und Internet) erschlossen werden können, sondern auch, welche weiterführenden digitalen Bildungsangebote hilfreich sein können.

Grundlage für eine weiterführende Fallanalyse bilden hierbei qualitative Interviews nach Durchführung des sogenannten achtwöchigen Peer-to-Peer-Programms. Die leitfadengestützen Einzel- und Tandem-Interviews wurden transkribiert und mit Hilfe einer qualitativen Interviewanalyse (Mayring) nach deduktiv und induktiv entwickelten Kategorien codiert und ausgewertet.

Die zentrale Kategorien bei der Analyse und Falleinordnung lassen sich gliedern, in wie weit die digitale Nutzung zur Selbstständigkeit und Autonomie der „Internetneulingen“ beiträgt, wie es um deren Einstellung und Offenheit (Skepsis vor neuer Technik) aussieht, ob und wie durch die digitale Nutzung soziale Teilhabe ermöglicht wird und ob über das Peer-to-Peer-Programm eine weitere bzw. zukünftige Nutzung digitaler Anwendungen erwartet werden kann. In Bezug auf das Alter der Teilnehmenden wird zudem untersucht, ob besondere motorische, sensorische Einschränkungen die Techniknutzung erschweren und wie diese kompensiert werden können. Ein weiterer wichtiger Aspekt stellen die Lernprozesse dar, was und wie ermöglicht erfolgreiches Lernen und wie können solche Lernerfolge gesichert werden.

Entlang an Fallbeispielen werden zentrale Aussagen zu diesen Kategorien vorgestellt. Es kann gezeigt werden, wie Teilhabe- und Teilgabemöglichkeiten der Beteiligten gefördert werden können.

17:10
Transfer und strukturelle Rahmenbedingungen: Handreichung und Methodenkoffer
S13-3 

D. Moroz, J. Schoch, S. Bröder, N. Damer, L. Grieser, B. Hoffmann-Schmalekow, M. Marquard, M. Doh; Stuttgart, Ludwigshafen, Ulm, Freiburg

Im Rahmen des Verbundprojektes werden nicht nur individuelle Gelingensbedingungen für die „Technikbegleiter:innen“ und „Internetneulingen“ in den Blick genommen, sondern auch die Gelingensbedingungen in den beteiligten Einrichtungen der institutionalisierten Altenarbeit. Dabei wird auch die Vernetzung in den Sozialraum und entsprechende Kooperationen vor Ort betrachtet.

Grundlage hierfür bilden qualitative Interviews mit den Einrichtungsleitungen und den Verantwortlichen vor Ort, aber auch begleitende Beobachtung, Fokusgruppen sowie Rückschlüsse aus den qualitativen Interviews mit „Technikbegleiter:innen“ und „Internetneulingen“. Zudem wurden auf einer Metaebene die beteiligten Praxisforscher:innen befragt. Die Daten wurden transkribiert und mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring) entlang von deduktiven und induktiven Kategorien ausgewertet. Unterstützt wird diese Forschung im Sinne eines Mixed-Methode-Ansatz mit Ergebnissen der quantitativen und qualitativen Daten, hier insbesondere die übergreifenden längsschnittlichen Befragungen sowie der qualitativen Sozialraumanalyse.

Dabei konnten bereits erste Gelingensfaktoren identifiziert werden: ausgehend von den beteiligten Einrichtungen ist die offene und unterstützende Kommunikation mit den Einrichtungen wichtig, insbesondere wenn diese auf die Unterstützung der Einrichtungsleitung und den Verantwortlichen in der Einrichtung stößt. Hier bedarf es sogenannte/r „Kümmerer:innen“ oder auch „Leader“, die in den Einrichtungen koordinierend tätig sind und Dinge ermöglichen können. Grundlegend ist zudem die Infrastruktur der Einrichtungen (Internetzugang, WLAN, ggf. Leihgeräte, etc.). In Bezug auf die Beteiligten ist eine bedarfsorientierte Anleitung und niedrigschwellige Ansprache erforderlich, dazu gehören auch unterstützende Lernstrategien und Lernhilfen sowie Qualifizierungen für die freiwilligen „Technikbegleiter:innen“.

Als Herausforderungen werden die Corona Pandemie im Allgemeinen, aber auch die Einrichtungsstrukturen und Personalien, die interne und externe Projektkommunikation sowie die Ehrenamtssuche und deren Qualifizierung vor Ort identifiziert. Eine besondere Herausforderung stellt auch die Frequenz und Dauer von Erhebungen dar, die einige der hochaltrigen Teilnehmenden an ihre Grenzen führte.  Diese und weitere Ergebnisse werden in ein Transferkonzept mit Handlungsempfehlungen zusammengeführt und für den Transfer bereitgestellt.

17:30
Sozialräumliche (Dis-)Kontinuitäten? Die individuelle Bedeutung von Digitalisierung im Kontext von „Räumen“ und Lebenswelten
S13-4 

T. de Vries, C. Klank, I. Himmelsbach, M. Doh; Freiburg

Der Beitrag wirft Schlaglichter auf eine sozialräumliche Studie, die im Kontext des Verbundforschungsprojekts „DiBiWohn“ an mehreren Standorten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz durchgeführt wird. Dabei folgt er einem relationalen Raumverständnis, das im Sinne von Kessl und Reutlinger (2022) „Raum“ als ständig (re)produzierte Gewebe sozialer Praktiken versteht und insbesondere individuelle und gruppenspezifische Deutungen von Welt (Reutlinger, 2009) in den Fokus rückt.

Auf Grundlage qualitativer Forschungsdaten, die mithilfe problemzentrierter Interviews (Witzel, 2000) und subjektiver Landkarten (Deinet & Krisch, 2009) gewonnen wurden, wird die Bedeutung von Digitalisierung für die individuellen Lebenswelten sowie Wohn- und Lebensumgebungen älterer Menschen, die in Einrichtungen des Betreuten Wohnens und Service-Wohnens leben, herausgearbeitet. Ferner wird veranschaulicht, welche spezifische Kontinuitäten und Diskontinuitäten sich dabei auf sozialer und räumlicher Ebene aus Perspektive der Bewohner:innen niederschlagen und was das spezifisch „Digitale“ in diesen relationalen Räumen ausmacht.

Darüber hinaus zeigt der Beitrag methodologische Anhaltspunkte auf, welche potenziellen Adaptionsmöglichkeiten sozialräumliche Erhebungsmethoden, die klassischerweise der Kindheits- und Jugendforschung entstammen, im Kontext der digitalen Transformation für die Analyse von räumlichen und sozialen Kontexten im hohen Alter erkennen lassen.

Literatur:

Deinet, U. & Krisch, R. (2009). Subjektive Landkarten. sozialraum.de, (1) Ausgabe 1/2009. Online verfügbar unter: https://www.sozialraum.de/subjektive-landkarten.php (letzter Zugriff: 14.05.2023).

Kessl, F. & Reutlinger, C. (2022). Sozialraum: eine Bestimmung. In dies. (Hg.), Sozialraum. Eine elementare Einführung (7–32). Springer VS.

Reutlinger, C. (2009). Raumdeutungen. In U. Deinet (Hg.), Methodenbuch Sozialraum (17–32). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview [25 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 1(1), Art. 22. Online verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0001228 (letzter Zugriff: 14.05.2023).

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