Donnerstag, 21.09.2023
14:30 - 16:00
Raum Q113
E09
Altersbilder
Moderation: S. Wurm, Greifswald
Über 70 Längsschnittstudien weisen darauf hin, dass Selbstwahrnehmungen des Älterwerdens (SPA) mit Gesundheit bei älteren Menschen zusammenhängen. Wenig ist allerdings darüber bekannt, welche Rolle SPA für den Erholungsprozess nach schweren Erkrankungen spielen und noch weniger ist dazu im Rahmen klinischer Studien bekannt. Basierend auf einer klinischen Stichprobe untersucht die aktuelle Studie ob SPA mit einer Erholung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (gLQ) nach Schlaganfall zusammenhängen.
Seit Mai 2021 wurden N=330 Schlaganfallpatient:innen, die in der Neurologie der Universitätsmedizin Greifswald versorgt wurden, in die Studie eingeschlossen. Die Patient:innen wurden während ihres stationären Aufenthaltes sowie 6 Wochen, 3 und 6 Monate nach Schlaganfall befragt.
Der vorliegenden Analyse lagen Daten von n=282 Personen zugrunde. gLQ wurde mit dem EQ-5D gemessen, gewinn- und verlustbezogene SPA mit den AgeCog-Skalen. Anhand eines gemischten linearen Modells wurden Veränderungen in gLQ untersucht, adjustiert für Alter, Geschlecht, Bildung, gLQ zur Baseline, Alleinleben, Pflegebedarf, Diagnose, NHISS. Präregistrierungs-ID: NCT04704635
Von allen Teilnehmenden (MAlter=70.9; 43% Frauen) hatten 59 (17.9%) eine transiente ischämische Attacke. Erste Ergebnisse der laufenden Studie zeigen, dass gewinnorientierte SPA mit besserer Erholung der gLQ nach Schlaganfall assoziiert sind (B = 2.11, [0.68; 3.54]), verlustorientierte SPA hingegen nicht (B = -0.15, [-1.69; 1.39]), unabhängig von gLQ zur Baseline (B=17.67, [11.43; 23.98]) sowie weiteren Kovariaten.
Die Ergebnisse stützen bisherige Befunde zur differentiellen Rolle von SPA für unterschiedliche Gesundheitsoutcomes. Erholung nach Schlaganfall könnte durch Maßnahmen unterstützt werden, die gewinnorientierte SPA fördern, d. h. Patient:innen dazu ermutigen, Pläne zu machen und neue Dinge zu lernen.
Fragestellung: Sogenannte Alterssimulationsanzüge erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und zielen darauf ab, Empathie und positive Einstellungen gegenüber Älteren zu fördern. Allerdings konzentrieren sich bisherige Studien weitgehend auf (junges) Gesundheitspersonal und befassen sich nicht mit der Wahrnehmung des eigenen Alterungsprozesses. In dieser Arbeit wurden zwei Studien kombiniert, um die Effekte von Altersanzügen auf allgemeine und persönliche Altersbilder in heterogenen Stichproben zu untersuchen und um spontane Assoziationen während der Simulation qualitativ zu erforschen.
Methode: In Studie 1 beantworteten N=165 Erwachsene (M=37,1 Jahre, SD=15,4) vor und nach dem Tragen eines Alterungsanzugs Fragebögen mit allgemeinen ("alte Menschen sind...") sowie persönlichen Altersbildern ("Älterwerden bedeutet für mich..."). In Studie 2 durchliefen junge Erwachsene (N=22; M=24,8 Jahre, SD= 4,3) und Erwachsene mittleren Alters (N=41; M=60,8 Jahre, SD= 6,9) etablierte geriatrische Assessments mit und ohne Altersanzug, und spontane Assoziationen wurden erfasst.
Ergebnisse: Sowohl allgemeine als auch persönliche Altersbilder verschlechterten sich im Prä-Post-Vergleich mit überwiegend mittleren Effektstärken. Die Analyse der qualitativen Daten ergab sieben Hauptthemen, z.B. "Belastung/Koordination", "Zukunfts-Ich", "Empathie/Einsicht". Erwachsene mittleren Alters äußerten häufiger Gedanken über ihr zukünftiges Ich, während Jüngere vor allem körperliche Auswirkungen des Anzugs thematisierten.
Schussfolgerung: Die Anwendung von Alterssimulationsanzügen könnte unbeabsichtigte negative Veränderungen in Altersbildern hervorrufen. Erwachsene mittleren Alters zeigten diversere Assoziationen, z.B. in Bezug auf Emotionen, das zukünftige Selbst und potenzielle Schwierigkeiten älterer Menschen im Vergleich zu jungen Erwachsenen. Dies könnte einerseits durch eine höhere Vulnerabilität für negative Altersbilder begründet sein, könnte aber auch als wichtige Phase genutzt werden, um sich auf altersassoziierte Veränderungen vorzubereiten.
Gesellschaftlich verbreitete Altersstereotype haben einen Einfluss darauf, welches Altersselbstbild Menschen im Alternsverlauf entwickeln und folglich wie gesund sie tatsächlich älter werden. Als wesentliche Quelle kultureller Altersstereotype gelten publizistische Medien. Kommunikationswissenschaftliche Theorien legen nahe, dass publizistische Medien sowohl die wahrgenommene Priorität als auch die konkrete Interpretation dargestellter Themen zu beeinflussen vermögen und soziale Lernprozesse anhand von Rollenvorbildern anstoßen können. So ist denkbar, dass die heterogene Entwicklungstendenz von Altersbildern in unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen unter anderem auf unterschiedliche mediale Darstellungen zurückgeführt werden kann. Das vorliegende Vorhaben konzentriert sich daher auf die Frage, welche Merkmale und Tendenzen sich anhand von internationalen Studienergebnissen der letzten 30 Jahre zur Darstellung von Alter und älteren Menschen in publizistischen Medien feststellen lassen. Nach bestem Wissen der Autorinnen handelt es sich dabei um den ersten Literaturüberblick zu diesem Thema, der ein systematisches Vorgehen gemäß dem PRISMA-Protokoll verfolgt. Dazu werden Suchen nach englischsprachigen Publikationen inhaltsanalytischer empirischer Studien aus den Jahren 1993 bis 2023 in den Datenbanken Web of Science, APA PsycNet, Scopus, Embase und Communication Source durchgeführt. Als Suchbegriffe dienen unter anderem (media OR newspaper OR television OR magazine) AND (portray* OR image OR stereotyp*) AND (“older adult” OR “older people” OR elder* OR senior). Das Screening auf Title/Abstract- und Volltextebene sowie die Extraktion der Daten erfolgen unabhängig durch zwei Personen. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, einen aktuellen, systematischen Überblick über Entwicklungen der medialen Darstellung von Alter und älteren Menschen in den vergangenen drei Jahrzenten bereitzustellen und so Schlussfolgerungen über den Wandel gesellschaftlicher Altersstereotype zu ziehen. Eine prospektive Präregistrierung des Reviews wird im Open Science Framework (OSF) erfolgen.
Die Sicht des Alter(n)s kann in hohem Maße durch Altersstereotype beeinflusst werden. Diese entwickeln sich schon früh im Leben eines Individuums und sind durch unterschiedliche Faktoren gekennzeichnet: Das Erleben der Großeltern, Darstellungen Älterer in Film, Werbung oder Kunst sind typische Beispiele, wodurch sich Altersstereotypen bilden und verfestigen und somit die eigene Wahrnehmung von älteren Menschen positiv wie negativ beeinflussen können. Die Rolle von Kunst und Kultur ist in diesem Zusammenhang mehrfach untersucht worden, es fehlt bislang eine Auseinandersetzung mit moderner Musik.
Der Vortrag stellt die Ergebnisse einer explorativen Studie dar, die mehr als 30 Songtexte aus unterschiedlichen Epochen und Genres der Rockmusik untersucht. Die Entstehung der Rockmusik kann auf die 1950er Jahre datiert werden und steht in engem Zusammenhang mit Rebellion und Generationskonflikt, der durch Aspekte wie Nonkonformismus, Gesellschaftskritik und Ablehnung bestehender Wertesystem zum Ausdruck kommt, so dass im Ursprung eine eher negative Vorstellung über das Alter ausgemacht werden kann. Die ältere Generation steht zu Beginn genau für die eher konservativen Werte, so dass sich Stereotype wie "alt und nicht wandelbar", "alt und spießig" und "alt und verbohrt" herausgebildet haben.
Die Textanalyse zeigt, dass generell zwischen Texten unterschieden werden kann, die eine Außensicht über das Alter(n) behandeln und Texten, die das Auseinandersetzen mit dem eigenen Alterungsprozess thematisieren. Für beide Bereiche lässt sich genreübergreifend festhalten, dass die überwiegende Mehrheit ein stark negatives Bild proklamiert. Bei der Beschreibung der Außensicht fällt ein starker Fokus auf die körperlichen Defizite oder Aspekte wie Armut, Isolation und Einsamkeit auf. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Alterungsprozess betont ebenfalls vorrangig negative Umstände und ist häufig durch Angst und Unwohlsein beim Gedanken an das Alter und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen und die eigene Endlichkeit geprägt. Im Vortrag werden diese Ergebnisse anhand zahlreicher Beispiele illustriert, wobei sowohl negative als auch positive Sichtweisen vorgestellt werden. Hierbei wird zudem berücksichtigt, dass sich Sichtweisen über das Alter(n) auch mit dem Altwerden der Künstler ändern können.
Als Fazit kann festgehalten werden, dass sich die Wahrnehmung der Heterogenität des Alter(n) bislang in den Texten der Rockmusik nur unzureichend wiederfindet.