Freitag, 22.09.2023

11:45 - 13:15

Raum Q111

W26

Advance Care Planning: Wie beherrschbar sind krankheitsbedingte Diskontinuitäten? Ein Diskussionsforum des FA Kritische Gerontologie und des AK Pflege und soziale Teilhabe

Moderation: J. Heusinger, Magdeburg

Dieser Workshop fällt leider aus personellen Gründen aus.

Advance Care Planning (ACP) avanciert seit einigen Jahren in der Pflege im Krankenhaus, besonders aber in der Pflege alter Menschen zunehmend zu einem „must have“. Ziel des ACP ist es, nach einem Beratungsgespräch mit geschulten Berater*innen (Berater zur Gesundheitlichen Versorgungsplanung nach § 132g SGB V) festzulegen, wie Pflege und Versorgung erfolgen sollen, wenn die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Bspw. geht es um Entscheidungen darüber, ob in einer Notsituation eine Verlegung ins Krankenhaus erfolgen soll oder nicht. Das Angebot eines solchen Beratungsgespräches wird für Qualitätsstandards von Pflegeeinrichtungen empfohlen. Allerdings stellen sich aus praktischer Sicht Fragen hinsichtlich der hierfür erforderlichen Qualifikation von Mitarbeitenden sowie der Umsetzung in den Einrichtungen. Es besteht Klärungsbedarf in Bezug auf das Verständnis von ACP als Prozess oder Momentaufnahme, ob und welcher Kooperationen oder Leitlinien es bedarf, und welche Rolle Angehörige in diesem Zusammenhang einnehmen.

Darüber hinaus soll im Workshop diskutiert werden, was im ACP als Problem definiert und adressiert wird und welche anderen Probleme, bspw. institutionellen oder ökonomischen Ursprungs, dadurch unsichtbar gemacht werden. Auch das Verhältnis zur Philosophie der Hospize und palliativen Versorgung soll reflektiert werden. Dabei interessiert insbesondere, welches Verständnis von Autonomie und Eingebundensein, von Patientenorientierung und Pflegealltag das ACP impliziert. Gerade im Hinblick auf die Versorgung im Kontext von Demenz gilt es, der Frage nachzugehen, inwieweit ACP als hilfreich für Entscheidungsfindungsprozesse angesehen werden kann.

Nach einem Impulsbeitrag sind Diskutant*innen aus dem Fachausschuss Kritische Gerontologie und dem Arbeitskreis Pflege und soziale Teilhabe sowie die Teilnehmenden zur Diskussion eingeladen.

 
Was bindet Menschen mit Demenz an das Leben? Eine erweiterte Perspektive auf Advance Care Planning
W26-1 

H. Voß; Heidelberg

Hintergrund: Advance Care Planning (ACP) gewinnt in Deutschland an Bedeutung. Die Studienlage ist gegenwärtig noch überschaubar, insbesondere im Hinblick auf Menschen mit Demenz und deren Sorge-Netzwerke. Gesetzlich wurde ACP im Kontext der stationären Pflegeeinrichtungen angesiedelt. Fast zwei Drittel aller Pflegeheimbewohner sind Studien zufolge von Demenz betroffen. So ist es bemerkenswert, dass gerade diese vulnerable Gruppe im deutschen ACP-Konzept (bislang) kaum eigene modulare Bedeutung erhält. Vor diesem Hintergrund fokussierte sich diese Arbeit auf die Betroffenen selbst und untersuchte die Perspektive der Lebensbindung, die sich in den herkömmlichen Konzepten bislang nicht findet, jedoch als unabdingbar gerade im Hinblick auf Demenz gewertet werden kann.

Methode: In der Hauptstudie wurden zwölf Menschen mit Demenz im frühen und mittleren Stadium unterschiedlicher Demenzen zu zwei Zeitpunkten interviewt. Mithilfe der in der Pilotstudie modifizierten Werteanamnese wurden sie zu ihren Werten und Wünschen gegenüber dem Leben, Sterben und lebensverlängernden Maßnahmen befragt. Die daran anschließende qualitative Untersuchung fokussierte sich auf die Perspektive der Lebensbindung als erweiternder Grundgedanke für ACP.

Ergebnisse: Die modifizierte Wertanamnese erweist sich als gut anwendbar. Ein kürzerer zeitlicher Abstand der Gespräche zeigt sich als sinnhaft. Möglichst früh derlei ACP-Gespräche zu initiieren, erscheint mit Blick auf Demenz als angezeigt, auch und gerade, weil dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung dadurch Rechnung getragen werden kann. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass deutlich mehr fördernde als hemmende Aspekte von Lebensbindung identifiziert werden können. Die An- und Zugehörigen tragen maßgeblich dazu bei, die Lebensbindung hinsichtlich der Fragen zum Lebensende positiv zu unterstützen, mitzutragen und im späteren Verlauf der Erkrankung im Sinne des Betroffenen umzusetzen.

Diskussion: Im Kontext von ACP bei Demenz erscheinen die Gespräche wichtiger als die Vorausplanung selbst. Dabei gilt, die Menschen mit Demenz stets zu involvieren, denn niedrigschwellig gestaltete Gespräche sind noch lange mit den Betroffenen selbst möglich und unter dem Vorzeichen der relationalen Autonomie auch angezeigt. Um der hinreichenden Lebenszeit vor bzw. bis zum Tod gerecht zu werden, erscheint eine konzeptionelle Erweiterung um die Perspektive der Lebensbindung im gesamten Konzept von ACP als notwendig und angebracht.

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